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Hulduualach und Marienberg bei Mediasch

20. Dezember 2021

Hulduualach und Marienberg bei Mediasch
– kleine archivarische Recherchen –
von Pfarrer Gerhard Servatius-Depner, Mediasch

Siebenbürger – ob Sachsen, Rumänen oder Ungarn – feiern gerne. Es wird
auch immer wieder nach Anlässen gesucht. Das war auch vor einigen Jahren so, und
zwar im Jahr 2009, als im Kirchenbezirk Mediasch einige Gemeinden ihre erste
urkundliche Erwähnung (weiter: e.u.E.) gefeiert haben – damals eine schöne runde
Zahl von 700 Jahren seit 1309!
Über welche Gemeinden des heutigen Kirchenbezirks Mediasch ist aber im
Jahr 1309 denn die Rede gewesen? In der lateinisch verfassten Urkunde werden
nicht nur diese, sondern auch andere siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden
erwähnt, die zum Teil somit ebenfalls im Jahr 2009 ihre e.u.E. gefeiert haben. In der
besagten Urkunde von 1309 (s. „Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in
Siebenbürgen“, Band I, Nr. 314) wird der Prozess (causa) zwischen dem
Weissenburger Kapitel und einigen sächsischen Dekanaten festgehalten. Dieser
wurde in Ofen, vom 8. Januar bis 3. Juli 1309 vor Philippus de Sardinea,
Generalauditor des Kardinallegaten Gentilis geführt. Heute befindet sich die
Originalurkunde in der Vatikanischen Bibliothek (Bibliotheca Apostolica Vaticana).
Was wir außerdem im „Urkundenbuch“ erfahren können ist, dass die Handschrift zum
Teil von Vagnolus de Meuania, zum Teil von dem Notar des Kardinals Gentilis, mit
Namen Angelus, geschrieben wurde.

Wir lesen also in der Urkunde darin folgendes: „…universitatem sacerdotum
archidiaconatus de maiori Kukullo et nominatim Arnoldum de Longavalle, Johannem
de Michazaz et …sacerdotum de Hulduualach.“ Etwas weiter lesen wir auch: „item
universitatem sacerdotum archidiaconatus de minori Kukullo, et nominatim […]
Thedericum sacerdotem de villa Boneti“.

Nun, wer Rumänisch oder auch eine andere lateinische Sprache versteht, kann
Longavalle sofort mit Langenthal (rum. Valea Lungă) in Verbindung bringen,
Michazaz ist ebenfalls mit Hilfe des heutigen rumänischen Namens der ehemaligen
sächsischen Gemeinde Feigendorf (rum. Micăsasa!) zu erkennen und in der
Bezeichnung „villa Boneti“ kann man unschwer Bonnesdorf (rum. Boian) erraten.
Doch der vierte Name bleibt vorerst ein Rätsel. Unbekannt ist auch der
Geistliche (sacerdos) der Gemeinde geblieben. Man zerbricht sich in der ersten Phase
den Kopf und fragt sich natürlich, welche Gemeinde des heutigen Kirchenbezirks
Mediasch im Jahr 1309 den so fremd klingenden Namen „Hulduualach“ getragen hat?
Denn kein Gemeindename klingt heute ähnlich, auch nur im Ansatz!

In der Urkunde erfahren wir aber, dass die 3 Männer aus dem Erzdiakonat der
Großen Kokel kamen (archidiaconatus de maiori Kukullo). So führt der Weg also in
die Nachbarschaft der Gemeinden Langenthal und Feigendorf. Welche Gemeinden
befinden sich dort? Erst einmal Scholten (rum. Cenade), dann Kleinschelken (rum.
Şeica Mică) und auch Abtsdorf (rum. Ţapu), etwas weiter Schorsten (rum. Soroştin).
Doch diese Namen klingen weder im Deutschen, noch im Rumänischen so
oder ähnlich wie die Bezeichnung HULDUUALACH! Welche Gemeinde wird also damit
gemeint sein? Was mir schließlich geholfen hat, war es die ungarische Bezeichnung.
Denn Kleinschelken heißt auf Ungarisch Kisselyk, Scholten heißt Szászcsanád und
Feigendorf heißt Mikeszásza. Dann aber fiel mein Blick auf den ungarischen
Ortsnamen von Abtsdorf (das man in anderen lateinischen Urkunden auch als „villa
abbatis“, was leichter zu erkennen wäre, erwähnt findet): CSICSÓHOLDVILÁG! Der
ungarische Name HOLDVILÁG war es schließlich, der mir offenbarte, dass in der
Urkunde von 1309 ABTSDORF bei Mediasch, erstmals urkundlich erwähnt wird, und
zwar nicht als „villa abbatis“, wie in späteren Urkunden, sondern mit dem
sonderbaren Namen HULDUUALACH.
Holdvilág bedeutet übrigens Mondlicht. Da kann ich mir dabei sehr gut
vorstellen, wie über dem Dorf, das sich am Waldrand vor einer breiten Ebene der
Vollmond scheint…

Nun war ich dieses Jahr wieder auf der Suche nach Jubiläen anlässlich der
e.u.E. von Gemeinden in unserem Kirchenbezirk. Ich entdeckte dabei die Urkunde
aus dem Jahr 1283. Somit gibt es einige Gemeinden in unserem Bezirk, die in diesem
Jahr 730 Jahre seit ihrer e.u.E. feiern. Bei meiner Entdeckung bin ich wieder auf
einen Namen gestoßen, der noch schwieriger, als Hulduualach für Abtsdorf in
Verbindung mit dem aktuellen Namen einer Gemeinde des Mediascher Kirchenbezirks
zu bringen ist! Oder vielleicht nicht?…
Die Urkunde aus dem Jahr 1283 (s. „Urkundenbuch zur Geschichte der
Deutschen in Siebenbürgen“, Band I, Nr. 203) ist ebenfalls in lateinischer Sprache
verfasst und befindet sich heute in Karlsburg (rum. Alba Iulia), in der berühmten
Bibliothek „Batthyaneum“ (Biblioteca Naţională a României, Filiala Biblioteca
documentară Batthyaneum). Sie ist datiert 23. Juni 1283 in Weißenburg (datum
Albae) und darin handelt es um folgendes: Petrus, Bischof von Siebenbürgen,
bezeugt, dass das Weissenburger Kapitel drei Teile des ihm gehörigen Mediascher
Zehnten an Früchten, Wein, Bienen und Lämmern für vierzig Mark Silber jährlich den
dortigen Pfarrern abgetreten habe. Mit „dortigen Pfarrern“ sind die Geistlichen des
Mediascher Kapitels gemeint (sacerdotes de Medies ex altera).

Welche Gemeinden des heutigen Mediascher Kirchenbezirks werden nun in der
Urkunde von 1283 erwähnt? Wir lesen also: „Walterus decanus de villa Echelini,
Johannes de Berthelm, Henricus de villa Rihuini, Petrus de Musna, Adam de villa
Medies, Siffridus de monte Mariae, Henricus de Sarus et Theodricus de Copus“.
So wie bei der Urkunde von 1309, kann man auch in diesem Fall nach dem
Klang der heutigen Namen die Gemeinden leicht erkennen, und zwar Echelini =
Hetzeldorf (rum. Aţel), Berthelm = Birthälm (rum. Biertan), Rihuini = Reichesdorf
(rum. Richiş), Musna = Meschen (rum. Moşna), Medies = Mediasch (rum. Mediaş),
Sarus = Scharosch (rum. Şaroş) und Copus = Großkopisch (rum. Copşa Mare).
Unklar auf den ersten Blick bleibt selbstverständlich, zu welcher Gemeinde der Mann
mit Namen Siffridus – also Siegfried – gehörte? Er wird genannt Siffridus de monte
Mariae… Siegfried aus Marienberg!

Somit stellte sich zuerst die Frage, welche Gemeinde sich in der Nachbarschaft
der oben genannten Gemeinden befindet und womöglich auch heute noch
„Marienberg“ oder so ähnlich heißt. Keine! Die Lösung finden wir einerseits bei der
Suche nach den Gemeinden des Mediascher Kapitels.
Im Jahr 1883 (vor 130 Jahren – auch ein Jubiläum!) ist eine Schrift
herausgegeben worden mit der Überschrift: „Zur ältesten Geschichte des Mediascher
Kapitels“, verfasst von Joh. Mich. Salzer, Kapitels-Dechant und ev. Pfarrer in
Birthälm. Darin erfahren wir unter anderem, dass „das Mediascher Kapitel nicht nur
zu den jüngsten Kapiteln der sächsischen Kirche“ gehört, „sondern dürfte geradezu
das jüngste Glied derselben sein.“ (S. 11).
Auf der nächsten Seite schon wird die Urkunde von 1283 erwähnt und der
Name MARIENBERG erscheint neben der Auflösung des Rätsels: „Marienberg
(PRETAI)“. Ein anderer Weg zur Lösungssuche wäre gewesen, eine Kirche zu suchen
die der Heiligen Maria geweiht wurde, also eine Marienkirche. Auch Eibesdorf besitzt
eine Marienkirche, die bekannteste befindet sich im Umfeld von Mediasch natürlich in
Birthälm, doch wird Eibesdorf nicht genannt und Birthälm schon als „Berthelm“
erwähnt. Die Kirche von Pretai (rum. Bratei) wurde der Heiligen Jungfrau Maria
geweiht. Dr. Hermann Fabini hält fest, die Kirche sei der Heiligen Maria Magdalena
geweiht (s. „Atlas der Siebenbügisch-Sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen“,
1999², Bd. 1, S. 566). Pretai besitzt jedenfalls eine Marienkirche und wird eben in der
Urkunde von 1283 erstmals urkundlich erwähnt, doch eben als MARIENBERG mit
ihrem Vertreter Siffridus (Siegfried) de monte Mariae.
Im „Urkundenbuch zur Geschichte des Mediascher Kapitels bis zur
Reformation“ hrg. Von Rudolf Theil und Karl Werner in Hermannstadt 1870 wird der
Name der Ortschaft fälschlicherweise mit „monte majore“ (S. 3) wiedergegeben. Es
ist eindeutig ein Tipp- oder Lesefehler, auf welchen auch Salzer in seiner Schrift
hindeutet (S. 14). Der deutsche Name „Pretai“ und die rumänische Bezeichnung
„Bratei“ leiten sich übrigens vom lateinischen „Protodiaconus“. Die Ungarn haben den
Ort schließlich in Baráthely genannt – zu Deutsch „Ort/Platz des Freundes/Mönches“.
Mönchsdorf also! „Barát“ bedeutet bekanntlich sowohl „Freund“, als auch – wie in
diesem Fall –Mönch (vgl. Bettelmönch = a kolduló barát). Somit wurden die Rätsel
von HULDUUALACH und MARIENBERG bei Mediasch gelöst.

Weitere zwei Gemeinden unseres Kirchenbezirks, die in diesem Jahr (2013) ein
rundes Jubiläum anlässlich ihrer e.u.E. feiern können sind Arbegen (rum. Agârbiciu)
und Mardisch (rum. Moardăş). Arbegen feiert 670 Jahre laut einer Urkunde vom 10.
Mai 1343. Darin erscheint ein Vertreter der Gemeinde mit Namen Nicolaus de
EGURBEG. Mardisch feiert in diesem Jahr 640 Jahre laut einer Urkunde aus dem Jahr
1373 bzw. laut einem erhaltenen Register des päpstlichen Steuersammlers Peter
Stephani (1373 bis 1375), betreffend Einhebungen aus der Graner und Wesprimer
und aus der siebenbürgischen Diözese. Darin wird ein gewisser Michaeli de ARDESCH
erwähnt.

Pfarrer Gerhard Servatius-Depner (2013)

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